Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#1 von Musikah , 17.02.2019 16:53

Alligatoah - Triebwerke

Zitat
Nach dem Prelistening-Konzert und der Weltpremiere der ersten Songs in Stuttgart war es den aufmerksamen Alligatoah-Fans schon klar, welchem Oberthema Alligatoah sich auf seinem dritten Solo-Album widmen würde. "Alligatoah würde nicht vom Liebeslied verändert werden, sondern er verändere das Liebeslied hieß" es dann auch später und das ist das selbstauferlegte Ziel der "Triebwerke": Nachdem "ATTNTAAT" den Terrorismus in all seinen Auswüchsen und "In Gottes Namen" die Religion in all seinen terroristischen Auswüchsen erfassten, spielt das dritte beinahe terroristenfreie Album also damit, die Idee des romantischen Liebessongs umzudrehen und ihm seine ekelhafte Triebhaftigkeit aufzuzeigen.

Im selben Klangkostüm kann aber jeder Anti-Lovesong schnell zum noch schnulzigeren Lovesong verkommen. Dieses Spiel mit dem Feuer beherrscht Alligatoah aber durchaus (wahrscheinlich könnte er beim Sex auch mit Fackeln jonglieren, Rrrrrr). Seinen bösartigen Humor konnte er in das etwas mainstreamaffinere Soundgewand hinüberretten und das Leitmotiv wird wieder in gewohnt vielseitiger Weise exerziert. Tatsächlich ist "Triebwerke" sogar das allererste Alligatoah-Album, das sein Motiv niemals verlässt. Leider geht das zu Lasten der Spielzeit, die mit 14 Tracks auch ungewohnt mager ausfällt.

Die Geschichte, die "Triebwerke" zu erzählen hat, ist aus recht zusammenhangslosen Fragmenten zwischenmenschlicher Abgründe zusammengesetzt; da waren andere Alligatoah-Alben schon narrativer ineinander verkettet. Aber die tragikomischen Geschichten von Liebe, Lust und Zärtlichkeit verdichten schon so etwas wie eine Erzählerfigur, deren Hybris, Egoismus aber auch soziale Verkrüppelung irgendwie in uns allen mehr oder weniger wiederfindbar ist. Der genialste erzählerische Kniff des Albums ist jedoch, das Ende, der Tod, der keiner ist ("Trauerfeierlied"). Das erste Mal, dass Alligatoah im Outro nicht stirbt, sondern sein eigenes Leben als selbstüberzeugte Zukunftsvision besingt.

Hinter dem ganzen Wahn der Lust in seinen unzähligen Spielarten steht aber wie immer bei Alligatoah die monomane Selbstüberzeugung, die sich von seinen HipHop-Parodie-Anfängen über den Terroristen und die unzähligen ausgeübten Berufe bis hin zum Lover der "Triebwerke" durch das ganze Alligatoah-Werk zieht. Somit ist Kaliba 69, vielleicht tatsächlich so etwas wie eine in sich schlüssige Persönlichkeit. Eine mit mehreren Leben, mehreren Toden und Wiedergeburten, aber doch einer Seele. Eine Figur, die auf jedem Album reanimiert wird und mit der Konfrontation neuer (mehr oder weniger) alltäglicher Situationen neu akzentuiert wird. Und wer den freundlich-selbstlosen Charakter Lukas Strobels kennt, erkennt in seinem Alter Ego so etwas wie ein Negativ seiner Persönlichkeit, das sich aus der Frage "Wie sollte ich mich in dieser und jener Lebenslage nicht verhalten?" zu konstituieren scheint.

Da "Triebwerke" die Normen sozial-sexueller Umgangsweisen einfach straight vertikal kippt — und darin kann sich jeder irgendwie wiederfinden — ist der Humor auf dem Album vielleicht auch am einfachsten und massentauglichsten ausgefallen. Die Qualität der lyrischen Einfälle auf Line-Zoomstufe soll das nicht schmälern, aber was dem Werk vielleicht ein bisschen abgeht, ist Absurdität und Spontaneität einer "Badewanne" oder eines "Schwamm Drüber". Da kann nur "Wer Weiß" mithalten, der sich auch schnell als einer der besten Songs des Albums entpuppt.
A propos beste Songs: Es schleicht sich leider ein wenig der Eindruck ein, dass manche Songs mit größerem Aufwand produziert worden als andere, dass man vielleicht schon bei dem ein oder anderen Song einen möglichen Smash-Hit-Erfolg im Hinterkopf hatte. Das ist zwar weiter nicht schlimm, aber sorgt leider dafür, dass sich auf dem Album eine mehr oder weniger klare Elite an Songs herausbildet, mit der die Resthälfte nicht mithalten kann.

Alligatoah gehört sicher zu den Rappern, die am intelligentesten mit Erzählperspektiven spielen und Lyrik mit dramatischen und filmischen Erzählweisen verknüpfen. Songs wie "Fick ihn doch" als voyeuristische Lyrik, "Amnesie", der mit Orts- und Zeitsprüngen arbeitet oder "Trauerfeierlied", der in einem Zeitraum zwischen Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit spielt, erweitern das Reichtum narrativer Schätze des Alligatoah-Universums.

Die Krux an "Triebwerke" (insofern es überhaupt eine gibt) ist, dass eben nicht alles so gut recorded wurde wie es gedacht war. Meistens handelt es sich dabei eher um Detail-Fragen: Warum durfte Nürnberg in "Willst Du" das Bach-Runter gröhlen? Warum singt Alligatoah den letzten Amnesie-Refrain nicht eine Stimmlage höher wie er es auf der Tour tut? Warum ist das "Fick ihn doch" im gleichnamigen Track nicht noch eine Marke kantiger ausgefallen? Wirklich ärgerlich sind da schon eher die Tracks Prostitution, dessen Idee super ist, aber akustisch einfach nicht zünden will und "Erntedank", der mit trostpreisähnlicher Pointe und Prinz Pi gleich zwei hitpotenzielle Argumente bereit hätte, aber eben nur auf dem Papier ein Hit ist, weil er kein bisschen Catchiness mit sich bringt.

Wie dem auch sei. Als Alligatoah-Fan kam man 2013 in eine neue Situation. Man war erstens nicht mehr allein; allte Mitschüler, die vor 5 Jahren noch über den Internetrapper Alligatoah bestenfalls als "lustiges Youtube-Video" lachten, ihm aber musikalisch keine Beachtung schenkten, mutierten über Willst-Du-Nacht zum größten Fan, "der Alligatoah schon seit seinen Anfängen kennt". Außerdem kam auch die neue Situation, in der man sich dafür rechtfertigen musste, Mainstream-Mukke, die von kleinen Kindern und Bitches gehört wird, zu feiern. ABER: Auch wenn ich gar nicht wissen will, wie oft "Willst Du" auf Mallorca gespielt wurde, es ist ein zutiefst relevanter Song. Der medienkritischste Alligatoah-Song seit "Namen Machen", voller feiner cinephiler Anspielungen und — um auf die Einleitung zurückzukommen — irgendwo das eingelöste Versprechen, dass Alligatoah das Liebeslsied verändern werde, auch wenn er dazu zwar ein Wolf im Schafspelz ist, doch aber ein Wolf, der sehr mit dem Leben des Schafes sympathisiert. Gefährlich, Alligatoah!

Fazit:
Alligatoah hat mit "Triebwerke" vor allem eins bestätigt: Er kann Hits schreiben. Das erste Mal, konnte man beobachten, dass man im Zusammenhang mit Alligatoah das Wort "Pop" in den Mund nahm. Ob sich die eingängigen Hooklines durchsetzen werden und Alligatoah dauerhaft im erweiterten Kreis des deutschen Mainstreams halten wird, wird die Zeit zeigen. Grundsätzlich ist es zweitrangig, denn trotz kleinerer Schwächen verfestigt "Triebwerke" das Vertrauen in Alligatoah, dass er seinen unverkennbaren Stil mit Massentauglichkeit verbinden kann und sich im Zweifel für seinen Stil entscheiden wird. Das Opus Magnum ist Alligatoah mit "Triebwerke" aber nicht gelungen. Dafür beschränkt sich der Wiederhörwert des Albums auf eine zu kleine Anzahl an Tracks. Aber da Alligatoah mit der Liebe bereits das zugänglichste Thema abgehakt hat, dürfte die nächste Themenwahl wohl auch weniger hypeaffin sein. Wenn der Hype dann trotzdem anhalten sollte, dann vielleicht auch wirklich aufgrund einer Deutschrap-Meilenstein-Legung. Dass Alligatoah das Zeug dazu hat, wissen wir alle.



Wie bewähren sich die Songs von “Triebwerke” über fünf Jahre nach Release?
Letztes Mal konnte “Fick ihn doch” mit einer Wertung von 9,1 Punkten den Sieg einstecken. Kann es sich erneut gegen die hart Konkurrenz in Form vom “Trauerfeier Lied”, “Amnesie”, “Willst Du” oder auch "Wer weiß" beweisen?

Nein! “Trauerfeier Lied” siegt knapp!
Kann es der Song jedoch mit “Fahrerflucht aufnehmen?
Nein, er erreicht “nur” 8,8819 Punkte!

Hätte "Fick ihn doch" von einer Person einen Punkt mehr bekommen, gäbe es einen Gleichstand!


Platz 14: Erntedank (feat. Prinz Pi) (2,8403)
Platz 13: Münchhausen III (4,2986)
Platz 12: Münchhausen I (4,3611)
Platz 11: Münchhausen II (4,5000)
Platz 10: Prostitution (5,2986)
Platz 9: Wunderschöne Frau (feat. Shneezin 257 & Timi Hendrix) (5,3194)
Platz 8: Narben (6,1806)
Platz 7: Hört, Hört (Intro) (6,9375)
Platz 6: Rabenväter (feat. BattleBoi Basti) (8,1181)
Platz 5: Wer weiß (8,1389)
Platz 4: Willst Du (8,1806)
Platz 3: Amnesie (8,2986)
Platz 2: Fick ihn doch (8,7639)
Platz 1: Trauerfeier Lied (8,8819)

Insgesamt wurden durchschnittlich 6,4370 Punkte vergeben.


Daisy mit 6,9286 Punkten als Durchschnittsbewertung


Loeffeluri mit 6,0714 Punkten als Durchschnittsbewertung


Die größte Überraschung dieser Runde dürften die Platzierungen von “Rabenväter (feat. BattleBoi Basti)” und “Narben” sein. Ersterer hat nämlich nicht nur die meisten Punkte im Vergleich zum letzten Mal gemacht sondern er kann sich diesmal nämlich zusammen mit der “erwartbaren” Elite des Albums deutlich(!) vom Rest absetzen, nach “Narben” folgt eine zweite große Stufe. Die “Münchhausen” Trilogie & “Erntedank (feat. Prinz Pi)” bilden zusammen mit “Prostitution” eindeutig den Bodensatz des Albums. Die Trilogie und “Erntedank” wurden wertungsmäßig nochmal deutlich schlechter eingestuft als beim letzten Mal, zusammen mit “Narben” und “Wunderschöne Frau (feat. Shneezin 257 & Timi Hendrix)” machen sie die größten Verluste.


Zitat von TERRORIST 4life im Beitrag Spontane Fragerunde
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Zitat von terroretisch im Beitrag Hilflos im Leben: Die Geschichte der Naina S.
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RE: Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#2 von T!me , 17.02.2019 17:20

Musikahs Wertung scheint mir ein Hybrid aus Eritas' (in der ersten Hälfte) und meiner (in der zweiten) zu sein

edit. Das fehlende Leerzeichen im Thread-Titel triggert voll. mach das mal wer (bitte) weg!


 
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RE: Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#3 von Musikah , 17.02.2019 17:26

Welches fehlende Leerzeichen stört dich?


Zitat von TERRORIST 4life im Beitrag Spontane Fragerunde
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RE: Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#4 von T!me , 17.02.2019 17:30

10)Triebwerke


 
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RE: Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#5 von Musikah , 17.02.2019 17:45

Achso. Ja das hab ich beim ersten Release verkackt und dann hab ich entschlossen es konsequent bei allen durchzuziehen. Komisch dass du es erst jetzt siehst.


Zitat von TERRORIST 4life im Beitrag Spontane Fragerunde
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RE: Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#6 von T!me , 17.02.2019 17:47

Ne, ist mir vorher schon aufgefallen, ich war nur zu lazy es zu schreiben.


 
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RE: Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#7 von Musikah , 17.02.2019 17:47

Okay


Zitat von TERRORIST 4life im Beitrag Spontane Fragerunde
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Zitat von terroretisch im Beitrag Hilflos im Leben: Die Geschichte der Naina S.
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RE: Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#8 von Loeffeluri , 18.02.2019 09:16

Haha ich merke schon, bei den neueren Alben ist viel Gold dabei bei den Votes .

- Daisy schmaßt erstma die 10 naus für "Willst Du".
- Eritas mit der 7(??) für Wunderschöne Frau. Wobei ich damit fast schon gerechnet habe, Eritas ist ja ein großer Fan von lustig phrasiertem Rap und feiert den Kalli-Part bestimmt enorm.
- Elze gibt sich als heimliche Oldfag-Bastion des Votings, gibt aber der Trilogie 5.66 Punkte im Durchschnitt smh.

Interessant auch, dass ich trotz der neuerdings allgemein relativ kritischen Auffassung von Triebwerke im Discord Letzter bin . Das Album ist bei mir aber vmtl. tatsächlich durchgenudelt mittlerweile (siehe die 7 für Willst Du).

Bin aber insgesamt sehr zufrieden mit dem Ergebnis. "Fick Ihn Doch" mit der 8 vorne nun finde ich nicht enttäuschend, der Song ist sehr stark, allerdings würde ne 9 vorne immer heißen "dem Track haben mehr Leute eine 10 gegeben als ne 8". Dafür reicht es mMn nicht, eine hohe 8 ist schon sehr passend dafür.

Dass Rabenväter jetzt auch die 8 vorne hat und damit relativ sicher die Top20 knackt war völlig verdient und LÄNGST überfällig .


Zitat von Bobby Stankovic im Beitrag Stimmungsthread #10
Bin richtig fettkrank.


 
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RE: Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#9 von Eritas , 18.02.2019 10:38

Bin mit Rabenväter und Trauerfeierlied-Votes einverstanden. Meiner Meinung nach schneiden halt Amnesie und vor allem Fick ihn doch zu schlecht ab.
Alleine die Parts rechtfertigen da locker ne 9 vor dem Komma und wer den mal live erlebt hat, wird mir zustimmen, dass er unglaublich kraftvoll ist und sicher zur Top5 der Livetracks gehört.

Zu Wunderschöne Frau: Feature-Parts sind ziemlich unterwältigend, aber gleichzeitig auch nicht ultrawack (muss man nicht skippen), Alligatoah-Part ist gut (die Einstiegsline <3) und die Hook dürfte zur obersten Spitze des gesamten Alligatoah-Werks gehören. Alleine die carried den Song über den Durchschnitt.

Sonst ist das Voting ganz cool gelaufen.


Solidaritäter.


 
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RE: Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#10 von Loeffeluri , 18.02.2019 11:04

Mit der Live-Energie stimm ich dir zu. Würde man danach gehen wären aber z.B. Freie Liebe, Meinungsfrei, Narben etc. besser anzusehen und Namen Machen wär irgendwo bei 7,x. Also auf die Studiowertung bezogen schon ok.

Die 10 würde ich bei "Fick Ihn Doch" schon deshalb nicht zücken können, weil das programmierte Schlagzeug nullkommanull zu dem Track passt. Diese Schwäche ist live dann natürlich ausgemerzt .


Zitat von Bobby Stankovic im Beitrag Stimmungsthread #10
Bin richtig fettkrank.


 
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RE: Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#11 von Daisy , 18.02.2019 21:10

Klar, zück' ich die zehn bei Willst du. Dürfte jetzt aber nicht so überraschend kommen. Ich lieb' das Lied in allen Version (außer den Remix natürlich). Wird nie geskippt und bringt mich immer in super gute Laune. Nene, das ist schon unter den Top 4.


Und grad bereu' ich's ein bisschen, dem Trauerfeierlied und Amnesie gleich viele Punkte gegeben zu haben. Amnesie ist doch besser.


 
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RE: Musikah-Voting: 10) Triebwerke

#12 von ElZee , 18.02.2019 22:34

Zitat von Loeffeluri im Beitrag #8
- Elze gibt sich als heimliche Oldfag-Bastion des Votings, gibt aber der Trilogie 5.66 Punkte im Durchschnitt smh.

Hab schon mal gesagt, dass ich diese Trilogie nicht für die Schlechteste halte. Und 5.66 ist ja jetzt auch keine hohe Wertung.


Zitat von Reyny Rey im Beitrag Admin-Nominierungen
Also Elze wird auf jeden Fall nicht mod.


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