Alligatoah: Musik ist keine Lösung
Track-Check zum Album – Release am 27. November
Zum Sterben würde er auf einen Berg gehen: Alligatoah sprach mit UNICUM Abi über sein neues Album "Musik ist keine Lösung" und verriet uns dabei außerdem, wie er seinen letzten Tag auf Erden verbringen würde.
Der Track: Vor Gericht
Ein Zitat daraus: "Meine Eltern sagten: Ich soll nicht mit Pornoheften spielen, ich verklagte sie und ließ ihnen das Sorgerecht entziehen."
UNICUM: Wie ist denn so das Verhältnis zu deinen Eltern?
Alligatoah: Ich habe sie noch nicht verklagt – bisher. Nein, es gibt auch keinen Grund dazu, ich habe immer die volle Unterstützung von meinen Eltern bekommen.
Was haben deine Eltern dazu gesagt, dass du nach dem Abi direkt nach Berlin gezogen bist, um Musik zu machen, statt zu studieren?
Ich habe in Berlin eine schulische Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton gemacht und damit einen IHK Abschluss in der Tasche – also ich habe etwas "Ordentliches" gemacht. Einen Abschluss zu machen, den ich in der Hinterhand behalten kann, war auch der Rat meiner Eltern. Aber selbst wenn ich das nicht gemacht hätte, hätte es von ihnen keine Einwände gegeben.
Was halten deine Eltern von deiner Musik?
Die finden sie gut. Manchmal geht ihnen allerdings der Rap zu schnell und sie verstehen den Text nicht richtig. Sie bitten mich dann, ihnen das mal auszudrucken, damit sie beim Anhören der Lieder zusätzlich mitlesen können. Die Hörgewohnheit für das Tempo und die Art der Sprache ist bei ihnen einfach noch nicht so da, das ist aber nicht schlimm. Ihr Interesse ist trotzdem groß und wenn sie die Texte dann sehen, sind sie davon auch sehr angetan.
Mama kannst du mich abholen?
"Mama kannst du mich abholen? Weil ich Scheiße gebaut hab und machtlos bin."
Aus welcher schwierigen Lage hat dich deine Mutter schon mal rausgeboxt?
Sie musste mich eher reinboxen – ins Auto nämlich, und dabei musste sie dafür sorgen, dass ich nicht zur Seite kippe und mich über den Beifahrersitz übergebe. – Das kennt wohl jeder, man ist als junger Mensch auf einer Party, hat ein bisschen übertrieben und muss irgendwie nach Hause gebracht werden. Da kommt man dann plötzlich ganz schnell an einen Punkt, an dem man wie ganz früher nach seiner Mutter ruft – und in dem Lied ist dieses Gefühl mit noch deutlich krasseren Situationen in Verbindung gesetzt, in denen sich einige Menschen auf diesem Planeten in dieser jetzigen Zeit befinden.
Gute Bekannte
"Du weißt, irgendwann verläuft es spurlos im Sande, aber ist doch egal, wir waren nur gute Bekannte."
Hast du zu jemandem, etwa aus der Schulzeit, den Kontakt verloren, bei dem es dir richtig Leid tut?
Vielleicht ist der Song aus der Furcht heraus entstanden, dass aus Freunden irgendwann doch nur gute Bekannte werden. Aber die Menschen, die mir in der Schulzeit am Herzen lagen, gehören immer noch zu meinem engsten Freundeskreis. Das heißt nicht, dass wir auch örtlich nah beieinander sind, alle sind in verschiedene Städte gezogen, aber wer mir damals wichtig war, ist mir auch heute noch wichtig. Man muss natürlich auch etwas dafür tun, dass die Bindungen bestehen bleiben, denn die Zeit ist bei allen begrenzt, alle haben viel um die Ohren. Da muss man schon aufpassen und dafür kämpfen, dass man sich nicht verliert, aber das funktioniert zum Glück erstaunlich gut.
Du bist schön
"99 Prozent reduziert auf mein Äußeres, ich muss in die Sachen passen, hab ich Hunger, gibt es Kochwäsche."
In deinen Videos schlüpfst du häufig in verschiedene Rollen mit teilweise eher unvorteilhaftem Look. Bist du selbst gar nicht eitel?
Ich bin schon eitel. Wenn eine Kamera auf mich gerichtet wird, will ich, dass ich so aussehe, wie ich da gerade aussehen möchte. Sehr oft möchte ich auch scheiße aussehen, aber das möchte ich gut – und da bin ich dann eitel im Scheiße-Aussehen.
Lass liegen
"Lieber neue Waren statt verwahren."
Was hast du zuletzt repariert, statt es wegzuwerfen?
Ich habe ein Akkordeon geschenkt bekommen, das kaputt war. Beim Öffnen und Schließen wurde immer der Ton A mitgespielt, es war also irgendwas verklemmt. Ich habe dann, ohne jegliche Ahnung von diesem Instrument zu haben oder mir vorher irgendwelche Youtube-Tutorials anzuschauen, dieses Ding aufgeschraubt und darin rumgestochert, bis es wieder funktioniert hat.
Denk an die Kinder
"Wenn uns mal die Trends überholen, ist die Existenz bedroht bei uns prominenten Personen."
Was machst du, wenn dein Erfolg der letzten Jahre vielleicht mal wieder abflaut? Dschungelcamp? Band Aid? Akkordeons reparieren?
Vielleicht habe ich das Akkordeon dann gar nicht mehr, weil ich es aus Geldnot verkaufen musste. Vielleicht habe ich dann nur noch eine kleine Holzflöte, aber egal – am Dschungelcamp oder bei Band Aid werde ich nicht teilnehmen, aber ich werde sicherlich immer Musik machen. Ich werde meine Ideen immer in Worte fassen, sie auf Papier bringen und in Musik verarbeiten, auch wenn das keiner hört.
Comeback des Jahres
"Nutz deine letzten Wochen, um ans Meer zu fahren oder Meth zu kochen."
Was würdest du tun, wenn du erfährst, dass du nur noch einen Tag zu leben hättest?
Meth kochen nicht, das scheidet schon mal aus. Das Meer habe ich auch schon mal gesehen, da bin ich aufgewachsen. Ich würde versuchen, einen Flug nach China zu bekommen, ich wollte immer mal nach China. – Vielleicht gibst du mir zwei Tage, das wäre voll nett, dann hätte ich nämlich einen Tag für den Flug dahin und einen Tag, den ich in China verbringen kann. Ich würde mich dann auf einen Berg setzen und von dort alles noch einmal anschauen und mich verabschieden, von der Welt und auch von mir selbst.
Hättest du gar nicht das Bedürfnis, deine Freunde und Familie um dich zu versammeln?
Freunde und Familie würden es einem wahrscheinlich schon übel nehmen, wenn man sie auf diese Weise verlässt. Man verlässt sie ja für immer. Es ist eben eine Grundsatzfrage und die muss jeder für sich selbst klären.
Musik ist keine Lösung
"Sehr geehrter Kaliba, netter Versuch: kritische Texte, Weltverbesserer-Blues."
Mit diesem Track nimmst du allen Kritikern, die sagen, mit Musik allein löst man auch keine Probleme, den Wind aus den Segeln. Gibt es etwas, für das du dich besonders engagierst?'
Die Sache, zu der ich eine emotionale Bindung habe, ist vor allem die Natur. Ich bin von Natur umgeben aufgewachsen und habe Wälder und Wiesen immer als meinen Zufluchtsort angesehen, daher erachte ich sie als besonders schützenswert. Es macht mich enorm wütend, wenn ich durch einen Wald laufe und sich rechts und links von mir der Plastikmüll stapelt. Das ist mein persönliches Thema und wenn jeder so ein persönliches Thema hätte, dann wären wir ja schon mal einen Schritt weiter.
Musikalische Kinder
Du rechnest auf deinem Album "Musik ist keine Lösung" so ziemlich mit allen aktuellen Krisen- und Problemthemen ab. Hast du selbst ein Lieblingslied auf der Platte?
Ich mag eigentlich alle meine Kinder gleichermaßen. Ich will keins bevorzugen, denn sonst könnte Eifersucht unter den Liedern entstehen. – Vor allem in dieser Phase ist das wirklich schwer zu sagen. Ich habe das Album jetzt erstmal weggelegt und werde es auch ein paar Monate nicht mehr hören, weil man während des Schaffensprozesses irgendwann betriebsblind für die eigenen Sachen wird. Im Moment sind mir daher eher die Lieder näher, die ich zum Schluss aufgenommen habe, weil ich die noch nicht so tot gehört habe. Von diesen Songs ist mein aktueller Favorit gerade "Teamgeist".