Ich hab's jetzt gestern Abend beim Geschirrwaschen auch mal durchgehört und mein Eindruck ist, dass es das schlechteste Alligatoah-Album ist, ich aber irgendwie hoffnungsvoll bin, dass es beim nächsten wieder besser wird. Haben doch viele legendäre Musiker mal ein schlechtes Album in ihrer Disografie und ich kann mir nicht vorstellen, dass "Off" jetzt ein Stilwechsel zeitigt wie ein paar Metalseiten frohlocken, sondern dass es eben ein Konzeptalbum ist, mit dem er sich ein bisschen ausprobiert hat
"Off" wäre aber in der Form als ein Mixtape für zwischendurch deutlich besser aufgehoben und man bemerkt, dass es eine Hommage und mit dem Wunsch verbunden ist, mal etwas anderes und mutmaßlich etwas Primitiveres zu machen, was halt fair ist, aber nicht die Qualitätsstandards eines Alligatoah-Albums erreicht
Das Album klingt aber halt ein bisschen so, dass es mit Manager, Girlfriend, Producer, wem auch immer im Vorfeld ein Gespräch gab, das ungefähr so ging:
- Boah, eigentlich muss wieder ein neues Album kommen. Aber ich habe irgendwie nicht so richtig Ideen, nicht so richtig Bock
- Du hast doch mal erzählt, dass du mal so ein Hommagealbum an deine New-Metal-Vergangenheit machen wolltest
- Jaaa, schon, aber ...
- Wär doch geil
- Jaaaa, aber .... ja, okay. Hast recht
Im Interview sagt er ja selbst, dass die Songs entstanden sind, ohne dass er die dafür nötigen Gesangsskills dafür schon entwickelt hatte. Was man meistens negativ merkt, aber manchmal auch so einen Funken von Pre-Triebwerke-Alligatoah-jugendlichem Dillettantismus hat und dann noch irgendwie Charme versprühen kann
Das größte Problem des Albums ist für mich aber, dass die Gitarren- und Drumarrangements nicht wirklich gut produziert scheinen. Wenn man ein solches Konzeptalbum machen will, hätte man sich in meinen Augen wahrscheinlich mehr Lernzeit geben müssen oder enge Verbündete suchen müssen, die mehr zum Klangkonzept beitragen als ein paar Textzeilen
Es gibt keinen einzigen richtig starken Song auf dem Album, aber das Fred-Durst-Feature ist schon eine charmante, schöne Idee, die auch funktioniert, obwohl der Durst-Part so spontan aufgenommen wurde und es natürlich schade ist, dass Fred Durst das Interesse immerhin einer der bekanntesten deutschen Rapper nicht mehr wertschätzt, dass er ihm vielleicht auch angeboten hätte, für 1-2 Tage zusammen in den Staaten den Track irgendwie aufzunehmen. Trotzdem: Rein thematisch ja allein schon irgendwie der Titeltrack
"Menschliches Versagen" finde ich eigentlich auch sehr solid, nur ist es bisschen Cringe, dass die Apes-Sängerin dann denselben Part wie Kalli singt nur in völlig inhalts- und witzleer, so als würde sie sich da nichts zutrauen oder es nicht besser können. Allgemein gefällt mir Alligatoah gesanglich auch eher, wenn er im Stile Serj Tankians oder KoRns mehr "singt" als screamt oder growlt, weswegen ich die Hook von "Menschliches Versagen" eigentlich recht cool finde
Wie viele hier schon geschrieben haben, sind einige Tracks inhatliche Wiederholungen und teils Verschlechterungen, die mitunter auch textlich recht plump daher kommen ("Ich Ich Ich"). Man muss ja nicht in tausend Wortspielen verklausuliert dahergerappt kommen, aber ... naja. Ich fand eigentlich keine einzige Line auf dem Album besonders lustig oder besonders deep
Das Tarekfeature ist auch ein Höhepunkt und wie alle sagen der prädestinierte Schlusstrack geblieben. Ironisch eigentlich, dass, obwohl das Album das kürzeste ever ist, alle Leute hier geschlossen der Meinung sind, den letzten Track hätte es nicht gebraucht :D
Zitat von Bobby Stankovic im Beitrag Supermarktlandschaft
Mit euch ist echt keine Revolution zu machen
Nicht dass es mich wundern würde, ich sag's nur
Zitat von Bobby Stankovic im Beitrag #436
"Off" wäre aber in der Form als ein Mixtape für zwischendurch deutlich besser aufgehoben und man bemerkt, dass es eine Hommage und mit dem Wunsch verbunden ist, mal etwas anderes und mutmaßlich etwas Primitiveres zu machen, was halt fair ist, aber nicht die Qualitätsstandards eines Alligatoah-Albums erreicht
Das mit der Produktion ist tatsächlich etwas, über das ich nochmal dediziert nachgedacht habe. Ich hatte ja vorher flapsig den Jan Delay-Vergleich angestellt von "Hammer&Michel" und ich glaube dass der Kern von der Reibung die Bobby, ich und andere hier empfinden daran liegt, dass das Album eben nicht klingt wie ein Metalalbum, obwohl es alle Elemente (dick abgemischte Drums, übersteuerte Gitarre, Yelling am Gesang) enthält. Jan Delay hatte damals genau das gleiche Problem. Er hat einer Funk-Band einfach Orange-Verstärker hingestellt und gesagt "macht mal". Das resultierende Album war dosig abgemischt, die Riffs bieder und nicht fetzig und das Feeling des gesamten Albums wie "Müssen wir das wirklich machen?".
Ich glaube tatsächlich das Problem ist, dass Kalli immernoch vokal abgemischt ist wie ein Pop- oder HipHop-Album. Man merkt den Unterschied richtig krass bei der hastig recordeten Line von Fred Durst. Isoliert könnte dieser Part ganz normal auf nem LP-Album sein, Schlagzeug und Gitarre dahinter sind fine. Kalli hingegen ist viel zu trocken, viel zu sehr in den Vordergrund gemischt und man hat ständig den Eindruck "Da rappt/singt jemand ein paar Parts über Metal-Instrumentals".
Ein gutes Gegenbeispiel gibt das von mir immer so hochgelobte Kenia-Konzert, das tatsächlich viele Dinge trotz des Impromptu-Live-Mixes deutlich besser hinbekommt als das Studio-Album "Off". Hier haben teilweise Songs die original nicht dafür geschrieben sind bessere und eingängigere Riffs am Start. Der dröhnende Overdrive-Bass von "Terrorangst" mit Gitarre in Drop C, das synkopierte Riff in "Freie Liebe"(mein Lieblingstrack auf der Live-Platte) mit dem Refrain der zuerst ohne Bass gespielt wird. Hier wird instrumental und songwritingtechnisch improvisiert, alles fügt sich in einen "Rock"-Sound ein und wirkt insgesamt runder, als ob hier wirklich eine Band zusammen spielt und nicht Person X über pre-recorded Vocals was drüber rappt.
Ironischerweise ist deswegen "Wer Lacht Jetzt" der am besten abgemischte Track der Platte, weil hier voll auf Metal committed wird und der "Liedermacher spielt verzerrt anstatt mit Westerngitarre"-Pathos abgelegt wird. Leider führt dass dazu dass man Kalli textlich nicht mehr versteht...andere Baustelle.
Würde bisher das Album im ranking der Solo-Releases vor ATTNTAAT, STRW I (klar) und R&W sehen, irgendwo in der Qualitätsabteilung zwischen STRW II und Triebwerke. Sein "schlechtestes" Album ist es auf keinen Fall, besser als das komplett forgettable R&W aber jetzt auch keine Revelation.
Zitat von Shame im Beitrag Die großen Mysterien des Alltags
Der Geruch verfliegt aber schnell wenn man einmal lüftet. So nach dem Wichsen oder so.
Ja, das was Uri sagt, stimmt zu 100% Metalriffs klingen halt sehr schnell sehr tacky, wenn man einfach volle Spur vokalbasiert drübermischt
Das ist im Kern auch was ich meine: Wenn er Metalkonzeptalbum will, sollte er sich auch dem Ganzen konzeptuell mehr unterordnen. Die Lyrics waren es jetzt blöd gesagt im Großen und Ganzen jetzt eh nicht so wert, dass er sie so in den Vordergrund bringt
Aber es gibt auch noch ein anderes Problem: Instrumental hat das Album auch keine Virtuosität. Auch das trägt zu seiner etwas musikalisch ein bisschen dürftigen Note bei. Allein, dass es schon glanzvollere Gitarrenmomente auf anderen Alligatoahalben gab, spricht Bände. Natürlich ist gerade Nu Metal rifftechnisch auch eher einfach gestrickt, aber trotzdem. So ein bisschen den Verzerrer auf Anschlag bringen ist halt bisschen uninteressant
Zitat von Bobby Stankovic im Beitrag Supermarktlandschaft
Mit euch ist echt keine Revolution zu machen
Nicht dass es mich wundern würde, ich sag's nur
Wes Borland ist auch einer der unterschätztesten Musiker in der Metal-Landschaft, so allgemein. 90% der Leute die gesagt haben "Jo ich mach mal ne Platte mit Limp Bizkit-Riffs und so" haben sich zum Clown gemacht.
Limp Bizkit selbst haben sich ohne Wes Borland zum Clown gemacht auf einem Album .
Zitat von Shame im Beitrag Die großen Mysterien des Alltags
Der Geruch verfliegt aber schnell wenn man einmal lüftet. So nach dem Wichsen oder so.
https://laut.de/Alligatoah/Alben/Off-122998
Zitat
Alligatoah ist immer die Person, die sein Witzebuch gerade braucht (ein Egoist, ein Hypochonder, jemand mit Paranoia). Er ist als Performer auf seinen Songs eine Funktion statt einer Person. Und da diese Pointen sich gleichzeitig abnutzen und auch wohl objektiv schlechter werden, bleibt so oft die Frage zurück, warum wir gerade überhaupt über Thema x sprechen. [...] Aber warum? Er hat es doch offensichtlich drauf? Warum hat er es immer noch so nötig, sich hinter all der nutzlosen Ironie zu verstecken? Warum klingt das alles so unglaublich albern und affig? Und die einzige Antwort, die man darauf geben kann, ist, dass er offensichtlich einfach überhaupt nichts und noch weniger zu erzählen hat. Die Musik, auf die er sich bezieht, hat einen emotionalen Kern, "Off" hat keinen.
Mag die Review, im Großen und Ganzen. Sie zeigt nochmals, warum die emotionale Richtung von RuW so richtig war.
Sehr gute Review, der ich im Großen und Ganzen zustimme, auch wenn ich als Fan natürlich ein bisschen Restaffection bewahren kann. Aber tatsächlich ist extrem gut herausgearbeitet, in welche künstlerische Sackgasse sich Alligatoah manövriert hat. Ironischerweise empfinde ich die beiden Hitsingles aus "Rotz und Wasser " für die zwei vielleicht besten Songs von ihm und als den Weg, den er hätte konsequent weiterverfolgen sollen (zur Not auch mit ein bisschen lauteren Gitarrenverstärkern)
Hatte eh einen Verriss auf laut.de erwartet, aber die Drastik der Review ist dann doch schon heftig. Leider aber nicht grundlos
Zitat von Bobby Stankovic im Beitrag Supermarktlandschaft
Mit euch ist echt keine Revolution zu machen
Nicht dass es mich wundern würde, ich sag's nur
Warte, welche Hitsingles von Rotz und Wasser meinst du? Singles gab es ja ... fünf? Aber du meinst wahrscheinlich "Nachbeben" und "Stay In Touch", oder?
Ganz genau
Zitat von Bobby Stankovic im Beitrag Supermarktlandschaft
Mit euch ist echt keine Revolution zu machen
Nicht dass es mich wundern würde, ich sag's nur
Jaa, ich glaube wir kommen alle dem Kern schon bisschen näher so langsam. 1/5 finde ich übertrieben, aber nachvollziehbarer. Flos Joke mit "untortured Artist" scheint die Realität exakter zu treffen als man meinen würde.
R&W war textlich aufrichtig, musikalisch (für Leute wie mich) völlig belanglos, aber "Off" hat es halt geschafft auch noch textlich belangloser (bis auf wenige Ausnahmen) zu werden.
Eine Sache die ich auch sehr bezeichenend finde ist seine Lyrik mittlerweile. Alligatoah war historisch jemand der was zu sagen hatte und in seinem Storytelling deswegen auch nicht vor teils kruden Zweckreimen (Tischbein, Pimmelgesicht etc.) zurückgeschreckt ist um den Rest des Punktes rüberzubringen. Mittlerweile hat er sich der Wortakrobatik ohne Inhalt verschrieben, was ich aber recht seltsam finde da das bei ihm so rapide nach STRW V abgebaut hat. Das war eigentlich sein "Ich hab so viel zu sagen ich scheiß auf die Instrumentals"-Album (Meine Hoe, Wie Zuhause, Freie Liebe, Terrorangst, fast jeder Track darauf) in gewisser Hinsicht und er hat sich halt relativ schnell davon stark wegentwickelt.
Zitat von Shame im Beitrag Die großen Mysterien des Alltags
Der Geruch verfliegt aber schnell wenn man einmal lüftet. So nach dem Wichsen oder so.
Vor allem gibt es ja grade jetzt gesellschaftspolitisch so viel zu sagen. K.I.Z müssen es wohl am Ende wieder richten ...
Zitat von Bobby Stankovic im Beitrag Supermarktlandschaft
Mit euch ist echt keine Revolution zu machen
Nicht dass es mich wundern würde, ich sag's nur
Was ich diesem Album zugute halten möchte ist, dass es mein Interesse an Kallis nächstem Werk bzw. weiterem Werdegang geweckt hat. Das war nach RuW und auch nach StRw V nicht wirklich der Fall.
Stimmt!
Zitat von Bobby Stankovic im Beitrag Supermarktlandschaft
Mit euch ist echt keine Revolution zu machen
Nicht dass es mich wundern würde, ich sag's nur
Naja, er war ja schon immer ein "untortured Artist", der Probleme/Phänomene in seiner Kunst verarbeitet hat, die eher nicht direkt ihn als Person betroffen haben, sondern sein Umfeld oder die Gesellschaft (hat er ja oft so gesagt), wieso sollte das jetzt auf einmal dazu führen, dass seine Texte so belanglos werden wie auf dem neuen Album?
Zitat von Loeffeluri im Beitrag #438
Ironischerweise ist deswegen "Wer Lacht Jetzt" der am besten abgemischte Track der Platte, weil hier voll auf Metal committed wird und der "Liedermacher spielt verzerrt anstatt mit Westerngitarre"-Pathos abgelegt wird. Leider führt dass dazu dass man Kalli textlich nicht mehr versteht...andere Baustelle.
Zitat von Nutella im Beitrag #449
Naja, er war ja schon immer ein "untortured Artist", der Probleme/Phänomene in seiner Kunst verarbeitet hat, die eher nicht direkt ihn als Person betroffen haben, sondern sein Umfeld oder die Gesellschaft (hat er ja oft so gesagt), wieso sollte das jetzt auf einmal dazu führen, dass seine Texte so belanglos werden wie auf dem neuen Album?
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